Auf unserem Dachboden entdeckte ich eines Tages ein Buch über Yoga. Die Abbildungen wirkten gleichermaßen elektrisierend wie fremdartig auf mich und inspirierten mich sie „nachzustellen“. In meiner kindlichen Sicht war der Yoga eine Verknüpfung von Akrobatik und Faxenmachen. Darin blitzte jedoch bereits ein Funke dessen auf, was Yoga tief im Inneren beheimatet: Lebensfreude und Freiheitsliebe. Diese Aspekte können durch die Praxis in jedem von uns wachgerufen werden!
Meine zweite Berührung mit Yoga – etwa 20 Jahre später – war etwas nüchterner und fand auf einem Zahnarztstuhl statt. Zähneknirschend bewegte ich mich auf mein zweites juristisches Staatsexamen zu als mein Zahnarzt meinte: Du knirschst. Schon mal mit Yoga probiert?
Das nahm ich mir zu Herzen. Ich schnupperte in zahlreichen Yogakursen, von denen mir die einen zu „technisch“, die anderen – als bodenständige Magdeburgerin – zu „esoterisch“ erschienen. Rechtzeitig vor der Geburt meiner Tochter fand ich in Wuppertal zu Annelie Rottensteiner und blieb 8 Jahre lang. Bei ihr habe ich āsanas (Körperhaltungen), kriyās (Reinigungstechniken), bandhas und mudrās (Kontraktionen von Muskeln in bestimmten Bereichen des Körpers und Hinwendung zu Vitalpunkten), prāṇāyāma (Atemtechniken), dhāranā (Konzentrationstechniken) und Meditation kennen und schätzen gelernt. Sie ließ mich auch ein erstes Verständnis für die psycho-physischen Wirkungen des Yoga entwickeln.
Von der praktischen Seite her erwies sich der Yoga nicht nur als vortreffliche Examens-, sondern zugleich Geburtsvorbereitung – lehrte er mich doch das Loslassen unter Anspannung.
Annelies Unterricht konnte ich mit geschlossenen Augen folgen. Sozusagen: im Direktexpress nach innen, wo die Stille „hörbar“ wird. Dem Zauber, welcher der Stille innewohnt, bin ich erlegen, denn wie schon in den Upanischaden geschrieben steht:
Der Urgrund ist Leere.
Einmal diese Leere, die keinesfalls hohl ist, erfahren, wollte ich auf keinem anderen Fundament bauen.
Wenn die geistigen Bewegungen zur Ruhe kommen – wie Patañjali den Wesenskern des Yoga beschreibt–, eröffnet sich ein ungeahnter Raum (an Möglichkeiten). Man entdeckt die innere Freiheit, die in jeder Lebenssituation und auf allen Ebenen beweglich(er) macht und mutig. Die kontinuierliche Praxis schafft diese Weite oder hilft, sie in brenzligen Situationen zurück zu erlangen.
Meine nahezu fünfjährige Yogalehrerausbildung – gemäß den Richtlinien des Berufsverbandes der Yogalehrenden in Deutschland e.V. und der Europäischen Yoga Union – habe ich bei der Gesellschaft für Geisteswissenschaftliche Fortbildung in Aachen absolviert. Dort konnte ich auch ein geistiges Zuhause finden. Die feinsinnige und kluge Ruth Offermann-Seifert und der universalgelehrte Yogameister Leopoldo Chariarse, seinerzeit Schüler von Jean Klein, verkörpern für mich einen ganzheitlichen, feinen und zugleich lebensbejahenden Yoga, der seinesgleichen sucht.
Seit 2017 unterrichte ich mit großer Freude selbst – Erwachsene und Kinder. Im Yoga lernt man jedoch nie aus und so bilde ich mich kontinuierlich national und international fort – am liebsten bei Tanja Sailer und Billy Doyle.
Aufgrund seiner ethischen Einbettung drängte der Yoga im Laufe der Zeit in alle Bereiche meines Lebens. Sogar meine Berufswahl(en) wurde davon beeinflusst: als Mediatorin muss ich die Mitte zwischen zwei Parteien halten, die für ihren Konflikt aufrichtig (und aufrecht im Sinne von rechtschaffen/ redlich!) eine gemeinsame Lösung auf Augenhöhe finden möchten (www.lichtenberg-mediation.de). Im Haṭha-Yoga geht es darum sich über den Körper mental einzumitten. Die Wirkungen sind wechselseitig: genauso wie der Geist den Körper beeinflusst, kann durch eine achtsame Yogapraxis in positiver Weise auf den Geist Einfluss genommen werden.
Wohlbefinden und sogar die Gesundheit werden meiner Erfahrung nach aber auch davon beeinflusst inwieweit das, was wir denken, fühlen, ausdrücken – verbal und nonverbal – und wie wir handeln miteinander übereinstimmen. Es ist eine Frage der Wahrhaftigkeit, im Yoga ein wichtiges Grundprinzip. Damit ist man auf dem Weg zu sich selbst, um zu werden, wer man ist. Das dann auch durchzuziehen – dafür macht Yoga einen stark.
Auf diesem Weg, der zugleich das Ziel ist und zahlreiche Hindernisse bereit hält, die zum Wachsen einladen, stärkt mich der bedingungslose Rückhalt meines geliebten Mannes und meiner spirituellen Lehrerin Judith Hecker.
Erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch meine Mutter und meinen Vater, die mir Urvertrauen gaben und meine vier Kinder – kleine Meister der Präsenz, die vor Lebensfreude sprudeln und mir tagtäglich die Gelegenheit geben, mich in Gelassenheit zu üben.
Für diese Fülle, gespeist aus der Liebe, bin ich von Herzen dankbar!
Yogalehrerin GGF/ BDY/ EYU (852 Ausbildungsstunden)